Recycling Energie betreibt in Nesselnbach AG die grösste Biogasanlage der Schweiz. Im Gespräch mit energate erläuterte Geschäftsleiter Werner Humbel unter anderem, wie er das Potenzial für Biomasse in der Schweiz einschätzt.
energate: Herr Humbel, die Biogasanlage in Nesselnbach ist über die Jahre ständig gewachsen und nutzt heute allein rund einen Fünftel der Speisereste in der Schweiz. Wie hat sich das System zuletzt entwickelt?
Humbel: Wir produzieren heute Ökostrom, Biogas, Abwärme, Biodiesel und Naturdünger und sind insgesamt bei einer Auslastung von annähernd 100 Prozent.
energate: Gibt es einen Aspekt, der sich noch ausbauen lässt?
Humbel: Wir hätten genügend Abwärme, um weitere Kunden zu beliefern, finden aber keine Abnehmer dafür in unserem Einzugsgebiet. Sollte es Interessenten in der Region geben, wären wir also froh um ihre Anfragen. Wir sehen beim Biodiesel noch Potenzial, doch da beschäftigt uns zurzeit das absehbare Ende der Steuerbefreiung für den Energieträger. Diese läuft Ende Juni 2020 aus und es gibt noch keine klare Nachfolgeregelung.
energate: Ist denn die Nachfrage nach Biodiesel in der Schweiz vorhanden?
Humbel: Die Nachfrage ist da. Wir haben 2002 mit der Produktion von Biodiesel begonnen und heute allgemein veränderte Vorzeichen: Damals wollte niemand unseren Biodiesel kaufen, heute gelten die zur Produktion nötigen Restöle und Abfälle als Rohstoffe und sind knapp.
energate: Wieviele Systeme der Grössenordnung von jener in Nesselnbach wären in der Schweiz denn aufgrund der einheimischen Biomasse umsetzbar?
Humbel: In der Schweiz bestehen etwa 130 Biogasanlagen, davon sind sieben mit unserer vergleichbar. In der Regel verwerten diese Anlagen Abfallstoffe. Die Biomasse ist in der Schweiz praktisch verteilt. Dennoch hat der Bund rund weitere 60 Anlagen mit Einspeisevergütung bewilligt. Ich gehe davon aus, dass etwa die Hälfte davon umgesetzt wird. Dann ist die Abfallverwertung hierzulande ausgeschöpft. Es besteht jetzt schon ein Verteilkampf. Sollten also weitere Grossanlagen dazukommen, beginnt die Verdrängung.
energate: Wird die inländische Produktion von Biogas in der Schweiz ausreichen, um die Ziele auf dem Wärmemarkt von 30 Prozent bis 2030 zu erfüllen?
Humbel: Eines der Probleme ist meiner Meinung nach, dass die wenigsten Biogasanlagen an das Erdgasnetz angeschlossen sind. Oft liegt das daran, dass kein solches Netz in der Umgebung verfügbar ist. Die Produktion ist also auch von den Gegebenheiten abhängig, nicht nur von den verfügbaren Rohstoffen. Wir für unseren Teil hatten das Glück, eine Leitung in der Nähe vorzufinden und über eine Grossanlage zu verfügen. So rechnete sich die Einspeisung vom ersten Tag an. Aber auch darüber hinaus ist es so, dass richtig grosse Mengen von Biogas in der Schweiz immer den Weg über den Import nehmen werden. Auf der Produktionsseite wird Biogas hierzulande angesichts der Gesamtmenge immer eine Nische bleiben.
energate: Welche Massnahmen in Bezug auf Biomasse wären von der Politik nötig?
Humbel: Auf jeden Fall ist es sinnvoll, wenn in der Schweiz auch weiterhin keine Lebensmittel in den Biogaskreislauf kommen, um allfällige Ziele zu erfüllen, sondern ausschliesslich Abfälle. Ein wichtiger Aspekt ist zudem der Auslauf der Investitionsbeiträge im Jahr 2031. Für die Zeit danach müssen wir uns jetzt bereits Gedanken machen. In der Schweizer Energiepolitik wird das Thema erneuerbare Energien auch vor dieser Tatsache sehr stiefmütterlich behandelt. Von der heutigen politischen Ausgangslage her würden wir bei der Recycling Energie AG ab 2031 jedenfalls keinen Strom aus Biomasse mehr produzieren. Wir wünschen uns insgesamt eine längerfristige Energiepolitik, die auch entsprechende Investitionen ermöglicht.
Quelle: energate-messenger.ch, 21.08.2019
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